In meiner Kindheit habe ich öfters während der Sommerferien etwas Zeit bei meinen Großeltern in Niederösterreich verbracht. Oft gab es für mich dort einen Hagebuttentee zum Frühstück. Der Tee wurde im Supermarkt gekauft und kam aus dem Beutel. Dieser Hagebuttentee gehört zu meinen ersten Erinnerungen an Tee in meinem Leben.
Der Geschmack, der Geruch und die Farbe des Tees haben sich in mein Geschmacksgedächtnis eingeprägt. Wenn ich an Hagebuttentee denke, dann fällt mir sofort eine rötliche Farbe der Tasse und ein süßlicher sowie fruchtiger Geschmack ein. Ich nehme an, dass es dir und vielen anderen Menschen auch ähnlich gehen wird.
Im Rahmen eines Teesommelierkurses, welchen ich 2019 absolviert habe, wurde mir von einer der Vortragenden jedoch aufgezeigt, dass der Hagebuttentee aus dem Beutel eigentlich kein reiner Hagebuttentee ist und sich doch in vielen Merkmalen deutlich von echtem Hagebuttentee unterscheidet.
Wie es der Zufall so will, bekam ich vor kurzem von einer Bekannten ein Glas mit selbst gesammelten und getrockneten Hagebutten geschenkt. Dies möchte ich als Anlass für einen Beitrag in meinem Teeblog nehmen und dir an einem noch relativ harmlosen Beispiel aufzeigen, wie die Lebensmittelindustrie mit unserer Wahrnehmung spielt und uns in gewisse Richtungen lenkt und beeinflusst.
Die Rohware
Bei mir ums Eck befindet sich eine Filiale der Supermarktkette Billa. Dort habe ich mir den einzig verfügbaren Hagebuttentee gekauft.
Auf der Verpackung ist bei genauerer Betrachtung im „Untertitel“ erkennbar, dass neben Hagebutte auch Hibiskus enthalten ist. Für Menschen die sich für Pflanzen interessieren, sind auch die Hibiskusblüten auf den Bildern eindeutig erkennbar.
Für Kinder oder Erwachsene jedoch, die nicht im Detail auf die Verpackung achten, wird wohl eher nur der groß geschriebene Name „Fixbutte“ wahrgenommen werden. Die dargestellte Hibiskusblüte kann auch leicht für die Blüte der Hagebutte gehalten werden.
Die getrockneten Hagebutten bestanden noch aus allen Bestandteilen: Fruchtschale, Härchen und Samen.
Die Zubereitung von Hagebuttentee
Hagebuttentee aus dem Beutel und echte getrocknete Hagebutten unterscheiden sich neben der Rohware auch in der Zubereitung.
Laut Zubereitungsanleitung auf der Verpackung des Supermarkttees wird empfohlen, einen Teebeutel mit 200 mL kochendem Wasser zu übergießen und den Teebeutel dann 5-8 Minuten ziehen zu lassen. Für einen Liter Tee hätte ich also 5 Teebeutel verwenden müssen. Die Teebeutel sind eigentlich ein Convenience Produkt und dazu ausgelegt, einen Teebeutel pro Teetasse zu verwenden. Aus Erfahrung weiß ich, dass dies zu hoch dosiert gewesen und der Tee viel zu intensiv geworden wäre.
Daher kochte ich einen Liter Leitungswasser im Wasserkocher auf und ließ drei Teebeutel für 8 Minuten ziehen.
Bei den getrockneten Hagebutten wog ich 20 g in einen Teefilter ein. Normal verwende ich standardisiert bei Teeverkostungen immer 12 g Tee pro Liter, da die Hagebutten jedoch zu einem erheblichen Anteil aus Samen bestanden, entschied ich mich dazu, die Einwaage zu erhöhen.
Teefilter verwende ich bei der Zubereitung von Tee normal auch nicht. Bei der Zubereitung von Tee ist es wünschens- und erstrebenswert, den Tee sich frei in der Kanne bewegen zu lassen. So kann er sich optimal entfalten und das Wasser von allen Seiten gut die Inhaltsstoffe extrahieren. Die Hagebutten enthielten aber noch ihre Härchen, welche eine reizende Wirkung haben. Um diese später mit dem fertigen Tee nicht mittrinken zu müssen, verwendete ich einen Teefilter.
Die getrockneten Hagebutten ließ ich in einem Kochtopf für 15 Minuten in einem Liter Leitungswasser quellen. Danach ließ ich das Wasser für 15 Minuten bei geschlossenem Deckel schwach köcheln. Zu guter Letzt ließ ich den Hagebuttentee noch für 15 Minuten nachziehen.
Die Sensorik
Die Farbe der Tasse war bei beiden Tees sehr unterschiedlich. Der Hagebuttentee mit Hibiskus aus dem Teebeutel hatte eine satte rötliche Farbe, der echte Hagebuttentee hingegen eine orange Farbe. Der Unterschied war gewaltig. Die orangene Farbe des Hagebuttentees wurde beim Beuteltee durch die roten Farbstoffe (Anthocyane) der Hibiskusblüte komplett überlagert.
Der Geruch des Teebeuteltees war fruchtig und genau so, wie ich ihn aus meiner Kindheit in Erinnerung hatte. Wenn du den Beuteltee auch schon einmal probiert hast, wirst du genau wissen, welchen Geruch ich meine. Der Geruch des echten Hagenbuttentees war dagegen nur schwach ausgeprägt. Er war auch fruchtig, aber doch unterschiedlich.
Vom Geschmack her war der Hagebuttentee aus dem Teebeutel sehr intensiv, fruchtig und auch süßlich. Der echte Hagebuttentee war dagegen vergleichsweise weniger intensiv, dafür aber auch fruchtig und schwach süßlich.
Die Wirkung von Hagebuttentee
Hagebuttentee kann dein Immunsystem stärken und ebenso Verdauungsbeschwerden bzw. Beschwerden mit dem Magen-Darm-Trakt lindern.
Hibiskus kann auch das Immunsystem stärken und wirkt blutdrucksenkend.
Mein Fazit
Hagebuttentee aus dem Teebeutel und echter Hagebuttentee unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Angefangen bei der Zusammensetzung der Rohware, der Zubereitung bis hin zur Farbe und Geschmack des Tees lassen sich viele Unterschiede feststellen.
Ich bin ein naturverbundener Mensch und mir persönlich schmeckte der echte Hagebuttentee viel besser. Er war weniger intensiv und hatte einen anderen Geschmack, eben so, wie Hagebutte eigentlich schmecken sollte. Ich finde es in der heutigen Zeit sehr schade und auch bedenklich, dass alle Lebensmittel total intensiv schmecken müssen. Angereichert mit Aromen und anderen Inhaltsstoffen geht dabei der wahre Charakter der ursprünglichen Lebensmittel verloren. Dabei schmecken sie alle ganz hervorragend, unsere Wahrnehmung wurde nur dahingehend beeinflusst, dass der eigentliche Geschmack zu wenig sei und wir lieber ein verarbeitetes und verändertes Industrieprodukt kaufen sollen.
Warum die tolle orangene Farbe der Hagebutte mit den Farbstoffen von Hibiskus überlagert werden musste, erschließt sich mir auf den ersten Blick auch nicht ganz. Erklären kann ich mir dies nur so, dass sich bei Verkostungen ergeben hat, dass roter Hagebuttentee beim Konsumenten besser angekommen ist, als orangener. Auf möglich ist, dass ein Beutel reine Hagebutte in den 5-8 Minuten Ziehzeit keine allzu intensive Farbe liefert und deswegen der Hibiskus aushelfen musste.
In sensorischen Studien dreht sich alles nur darum, wie mache ich das Lebensmittel für den Konsumenten spannender und wie verändere ich den Geschmack und das Aussehen dahingehend, dass mein Produkt noch besser ankommt und nach dem Initialkauf am besten ein ganzes Leben lang wiedergekauft wird. Im Endeffekt geht es wie fast überall nur um Konsum und Geld.
Ich hoffe, ich konnte dir anhand dieses noch relativ harmlosen Beispiels zeigen, wie mit deiner und meiner Wahrnehmung gespielt wird. Gerade bei mir wurde im Kindesalter die Verbindung von Hagebuttentee mit dem Geschmack, Geruch und Aussehen eines Produktes verknüpft. Bindungen die in diesem Alter hergestellt werden sind besonders langlebig und einprägsam, diesen Umstand ist sich natürlich auch die Lebensmittelindustrie bewusst. Bewusst provokant formuliert könnte ich sagen, es wird versucht, sich lebenslange Konsumenten schon im Kindesalter heranzuziehen.
Es ist immer wieder spannend, sich dieser Tatsache ganz bewusst anzunehmen und darüber nachzudenken. Ich habe für mich persönlich die Entscheidung getroffen, dass ich mich wieder zurück zu den Wurzeln begeben und wieder erlernen möchte, wie echte Lebensmittel unverfälscht schmecken. Meine Wahl ist daher klar: In meine Teekanne kommt in Zukunft nur mehr echter Hagebuttentee hinein.