Laute auf Holztisch

Neu in Wien: Das Labor/The Lab

Seit Anfang September 2020 ist die Stadt Wien ein bisschen reicher an Tee und Teekultur geworden. Unter dem Namen Das Labor/The Lab bieten die zwei Teeliebhaber Sven Schwannböck und Gerhard Weissböck im 6. Wiener Gemeindebezirk im Saint Charles Complementary in der Gumpendorferstraße 22 verschiedenste Veranstaltungen rund um das Thema Tee an.

Das Labor und sein Programm

Im Programm von Das Labor gibt es aktuell vier verschiedene Arten von Events: Silent Tea, Simple Tea, Masterpiece und Special Tea. In der Reihe Silent Tea geht es um eine kleine Auszeit vom Alltag, bei dem Tee in Stille genossen wird. Zu sich kommen, inne halten, bewusst und achtsam im Moment sein.

Simple Tea ist ein Workshop und richtet sich eher an Teeeinsteiger*innen. Hier wird erklärt, was guten Tee ausmacht und wie er richtig zubereitet wird. Auch der Umgang mit Teezubehör und Teewerkzeugen wird den Teilnehmer*innen näher gebracht.

Bei Veranstaltungen der Masterpiece Reihe werden erlesene chinesische Tees gemeinsam zu musikalischer Begleitung verkostet. Verkosten, schmecken, genießen, spüren, hören, sich nett unterhalten. Eine vielseitige und interessante Veranstaltungsreihe und mein Favorit unter all den drei angebotenen Eventformaten.

Unter dem Namen Special Tea finden Veranstaltungen zu einem ganz bestimmten Teethema statt. Dieses Jahr gibt es zwei davon: Einmal dreht sich alles um die chinesische Art der Teezubereitung „Gong Fu Cha“ und beim zweiten Event dreht sich alles um Pu-Erh.

Der Veranstaltungsort

Das Saint Charles Complementary gehört zur Apotheke Saint Charles dazu und ist als eine Art von Räumen anzusehen, in denen verschiedenste Seminare, Kurse und Workshops abgehalten werden. Alle haben das Thema Gesundheit gemeinsam und so lassen sich dort Veranstaltungen zum Thema TCM, TEM, Yoga, Achtsamkeit, Massagen und noch vieles mehr finden.

Das Complementary ist mit der U-Bahn von der U4 Station Kettenbrückengasse oder der U2 Station Museumsquartier in weniger als 10 Minuten zu Fuß gut erreichbar. Der Bus 57A hält mit der Station Laimgrubengasse nahezu direkt davor.

Saint Charles Complementary
Das Saint Charles Complementary von außen

Die Masterpiece Reihe

Kurz vor 14:00 trafen eine andere Teilnehmerin und ich beim Complementary ein. Sven begrüßte uns freundlich und bat uns hinein. Drinnen war alles schon wunderbar teemäßig eingerichtet und vorbereitet. Ein alter Holzkasten mit jeder Menge Teekeramik und Teezubehör, ein Tisch voller Teeutensilien zur Teezubereitung, ein Schaufenster mit einer Yixing Kanne und chinesischen Teeschalen sowie ein weiterer Tisch mit einer Laute und Musiknoten. Besser hätte dieser Raum für das kommende Programm nicht vorbereitet werden können. Die großen Schaufenster des Raumes ließen viel Licht von außen hinein und trotz der neugierigen Blicke von vorbeigehenden Passant*innen war die Grundstimmung sehr entspannt und ruhig.

Wir setzten uns, wie es die aktuelle Zeit gerade gebietet, in Babyelefantenabständen rund um den Teetisch und Sven stellte das heutige Programm vor. Am Plan stand die Verkostung von drei verschiedenen Tieguanyin aus China und Taiwan. Ein grün ausgebauter, ein gerösteter und ein etwa 30 Jahre alter. Die Teeverkostung wird zwischendurch von Sven musikalisch begleitet werden mit Claudio Monteverdis Liebesbrief „Lettera Amorosa“.

Die erste Verkostung

Wir begannen mit dem gedämpften grünen Tieguanyin. Bei der Begutachtung der Rohware erklärte uns Sven, dass ein echter Tieguanyin nicht komplett zur Kugel gerollt sei sondern immer etwas „schlampig“ gerollt aussehe. Den Tee verkosteten wir in wunderschön schlichter Teekeramik einer französischen Keramikerin.

Gaiwan und Teeschalen von der Keramikerin Manon Clouzeau
Grün ausgebauter Tieguanyin

Was für ein toller Tee! Blumige, florale Noten, leichte Süße, kaum wahrnehmbare Bitterkeit und viele ätherische Öle, die den Tee fast wie einen Milky Oolong wirken ließen. Jeder Aufguss schmeckte etwas anders und war der reinste Teegenuss.

Nach der Verkostung des ersten Tees erzählte Sven uns etwas zu Monteverdis Liebesbrief. Besonders witzig fand ich die Tatsache, dass der werte Herr damals mehr als fünf Seiten nur über die Haare seiner Angebeteten schrieb. Natürlich bekamen wir eine Leseprobe daraus, die ich ziemlich unterhaltsam fand. Ja, er liebte Haare wirklich sehr. Danach trug Sven Teile des Liebesbriefes auf italienisch vor und spielte dazu auf seiner Laute. Eine emotionale Interpretation der Gefühlswelt Monteverdis und eine erfrischend andere Art der Musikbegleitung.

Die zweite Verkostung

Der zweite Tee war ein gerösteter Tieguanyin und wurde in einer Yixing Teekanne und chinesischen Teeschalen zubereitet und probiert.

Yixing Teekanne mit drei chinesischen Teeschalen
Chinesische Teekeramik bei der zweiten Verkostung

Ein wärmender Tee, mit vielen Röstaromen, angenehmer Bitterkeit und ebenfalls ziemlich hohen Gehalt an ätherischen Ölen. Obwohl ich mehr ein Fan von Grüntee und grünen Ooolings bin, konnte mich diese Version eines Tieguanyin überzeugen. Während der Verkostung erzählte uns Sven viel interessantes über die chinesische Art der Teezubereitung und wir unterhielten uns über Teekeramik. Gespräche mit Gleichgesinnten über Tee, Teekultur und Teekeramik sind etwas Schönes und auf eine eigene Art und weise sehr erfüllend.

Die dritte Verkostung

Der dritte Tee war ein etwa 30 Jahre alter Tieguanyin. Warum nur etwa 30 Jahre alt? Sven erzählte uns, dass man höchst vorsichtig sein sollte, wenn Teehändler bei so altem Tee zu genaue Angaben machen. Diese seien nach so langer Zeit nicht mehr 100%ig nachvollziehbar und oft frei erfunden. Eine kleine Menge dieses außergewöhnlichen Tees stammen aus dem privaten Vorrat von einer chinesischen Sammlerin. Sie verfügt über gute Kontakte und deswegen kann die Herkunft und das ungefähre Alter des Tees als bestätigt angesehen werden. Ich habe noch nie zuvor so einen exklusiven Tee probieren können und deswegen glaubte ich Sven sofort als er uns erzählte, dass ein Gaiwan mit 3 g dieses Tees in noblen Teehäusern sehr kostspielig werden kann.

Zubereitet wurde der Tee in einem schönen Gaiwan eines polnischen Keramikers. Getrunken haben wir aus unglaublich dünnwandigen und mit gold ausgekleideten Teeschalen einer österreichischen Künstlerin. Sie erinnerten mich stark an vergoldete Eierschalen. Trotz ihres stabilen Eindruckes hatte ich oft das Gefühl, ich könnte sie beim Trinken jederzeit zerdrücken. Die goldene Innenseite lässt den Tee darin auch ganz speziell leuchtend und glänzend aussehen. Zwei ganz außergewöhnliche Stücke in einem besonderen Stil.

Gaiwan von Andrzej Bero und Teeschalen von Andrea Baumann
Wunderschöne Teekeramik für die Verkostung des alten Tees

Auch dieser hochwertige Tee reihte sich geschmacklich nahtlos in seine Vorgänger ein und war ein Traum. Höchst interessant war die Unterhaltung darüber, wie sich der Tee beim Trinken und Abgang anfühlen würde. Wie verläuft der Tee im Mund, wie fühlt er sich auf der Zunge an, was passiert im Hals- und Rachenraum? Sven ließ uns zuerst kosten und spüren. Danach teilte er seine eigenen Beobachtungen mit uns. Ich muss sagen, langsam glaube ich zu verstehen, was wirklich guter Tee ist und was dieser mit einem anstellt. Auch wenn der erste Tee (grün ausgebauter Oolong) eher meinen Geschmackspräferenzen entsprach, muss ich sagen, dass dieser besonders alte Tee beim Trinken viel mehr Gefühl in meinem Mundraum verursachte. Sich dieser Tatsache bewusst zu werden fand ich extrem spannend und eröffnet für die Zukunft ganz neue Perspektiven auf Tee. Zum Abschluss der Masterpiece Veranstaltung trug Sven noch einmal für uns den Liebesbrief vor. Es folgte eine herzliche Verabschiedung und danach machte ich mich froh und voll mit neuer Tee-Erkenntnise auf dem Heimweg.

Der Preis

Das Labor ist neu in Wien und aktuell nicht gewinnorientiert ausgelegt. Die Räumlichkeiten, Svens Zeit und hochwertiger Tee haben trotzdem ihren Preis. Laut dem Flyer wird für eine Veranstaltung der Masterpiece und Simple Tea Reihe ein Förderbeitrag ab 30 € empfohlen, um alle Kosten abzudecken. Ich bezahlte ein klein wenig mehr als den gewünschten Förderbeitrag, da ich dies für dreieinhalb Stunden toller Unterhaltung und hochwertigem Tee absolut angemessen fand.

Mein Fazit

Ich kann die Masterpiece Reihe von Das Labor/The Lab nur allzu sehr empfehlen. Es war ein wunderbarer Nachmittag mit netten Menschen in einer entspannten Runde. Sven war ein toller Gastgeber und gerade für mich als Teebeginner ist immer wieder toll, von erfahrenen Teemenschen etwas Neues zu lernen. Ich hätte es mir vorher auch nicht ganz so erwartet, aber Unterhaltungen mit Gleichgesinnten über Tee, Teekultur und Teezubehör sind unglaublich erfüllend. Die angebotenen Tees waren alle drei fantastisch und haben mich erkennen lassen, was einen wirklich guten Tee ausmacht. Das Labor mit seiner Masterpiece und Silent Tea Reihe werden mich demnächst bald sicherlich wieder als Gast bei sich haben.

Das Ambiente bei "Das Labor" im Saint Charles Complementary
Das Ambiente im Complementary