Die Zeit im Frühjahr rund um Ende April/Anfang Mai ist immer die spannendste. Stellt sich doch die Frage: Wann wird der erste Shincha geerntet und ab wann ist er bei uns erhältlich? Dieses Jahr war es gegen Ende April so weit und die ersten Teehändler überbrachten über diverse Kanäle die frohe Kunde, dass der Kabuse Shincha 2020 von Watanabe bei ihnen eingetroffen sei. Selbstverständlich ließ ich mir die Gelegenheit nicht entgehen und bestellte den Tee.
Das ist der erste Shincha meines Teelebens. Ob sich die Wartezeit darauf ausgezahlt und was der Tee so drauf hat, möchte ich dir hier in diesem Beitrag zeigen.
Kabuse Shincha der Familie Watanabe
Von der Familie Watanabe hatte ich schon einmal das Vergnügen, den mehr als nur guten Sencha mit dem Namen „Hon-Yuu“ zu verkosten. Die Teeplantage liegt auf der südlichen japanischen Insel Yakushima, die zur Präfektur Kagoshima gehört. Die Bio-Teeplantage verfügt über eine einzigartige Lage und ist umgeben von Bergen und Wäldern. Dadurch das die Insel so weit südlich liegt, kann der Tee von der Familie Watanabe bereits immer etwas früher geerntet werden, als von anderen Teebauern mit Teeplantagen weiter nördlich in Japan.
Shincha an sich bedeutet übersetzt so viel wie neuer Tee. Shincha stellt die erste Ernte des Jahres dar. Die Teepflanzen hatten über den Winter Zeit sich zu auszuruhen und zu sammeln, daher stellt die erste Ernte im Frühjahr dank ihrer tollen Aromen etwas ganz besonderes dar. Shincha macht somit die erste Ernte des Senchas aus oder kann auch als Frühjahrssencha bezeichnet werden. Verglichen mit der indischen Tee-Namensgebung, würde ich ihn fast als First Flush bezeichnen.
Das Wort Kabuse in der Bezeichnung des Tees steht für Beschattung. Vor der Ernte wurden die Teepflanzen für einen Zeitraum von etwa 10-14 Tagen mit einem kaum lichtdurchlässigen Netz beschattet. Mit dieser Methode wird in den Stoffwechsel der Teepflanzen aktiv eingegriffen. Dadurch werden weniger Catechine gebildet und Aminosäuren bleiben erhalten. Die Teepflanze bildet zusätzlich auch noch mehr Chlorophyll aus. Der Tee wird dadurch im Geschmack süßlicher, weniger bitter und erhält den typischen Umami-Geschmack.
Für seinen Kabuse Shincha verwendet Herr Watanabe nur Teeblätter der drei seltenen Kultivare Kuritawase, Sae Midori und Asatsuyu. Weil die Familie Watanabe von diesen Teesträuchern nicht so viele auf ihrer Plantage besitzt, können von diesem Tee jährlich nur etwa 50 kg produziert werden. Eine Packung enthält 50 g, dass ergibt rund 1000 Packungen dieses wundervollen Tees. Nicht besonders viel um die lokale und internationale Nachfrage zu decken. Dies erklärt den hohen Preis und meistens ist er schon recht schnell im Mai ausverkauft.
Die Rohware
Gekauft habe ich den Tee bei dem Voralberger Teegeschäft Moses Tee Shop. 50 g haben 20 € gekostet. Wie es sich für einen echten Watanabe gehört, kommt der Tee in einer Art stilvollem Booklet mit dem typischen grünen Vogel und Baum Motiv daher.
In dem Booklet ist der Tee vakuumiert verpackt enthalten und es wird das Teeanbaugebiet und der Teebauer Herr Mankichi Watanabe vorgestellt. Der Tee mag preislich gesehen teuer sein, aber alleine die Aufmachung und der Gesamteindruck geben einem das Gefühl, etwas sehr hochwertiges in Händen zu halten. Mir persönlich gefällt es sogar so sehr, dass ich mir das Booklet in meinem Zimmer als Teekoration aufgestellt habe.
Der Grüntee selbst ist aromasicher in einer Metallfolie vakuumverpackt. Das erstmalige Öffnen und am Tee riechen war auch dieses Mal wieder ein Highlight. Den Eindruck dieser puren Frische lässt sich nicht in Worte fassen und solltest du unbedingt einmal selbst erleben. Ich bin auch der Meinung, dass der Tee fruchtig nach Ananas roch.
Der rohe Tee hatte eine wunderbar leuchtend dunkelgrüne Farbe. Er besaß auch die typische Nadelform und neben ganzen intakten Nadeln ließen sich auch viele Nadelbruchstücke wahrnehmen. Wie ich bereits gelernt habe, ist dies ein Anzeichen für ein tiefes Dämpfen. Wenn tief gedämpft wurde, brechen die Blätter nachher beim Rollen/Formen zur Nadelform leichter und der Tee kann dadurch auch eine leichte Trübung aufweisen.
Die Zubereitung des Shincha
Wie so oft kann der Tee auf mehrere Arten zubereitet werden. Für meine Verkostung entschied ich mich für die europäische Variante, auch deswegen, damit ich das Verhalten des Tees während des Aufgusses filmen konnte. Zur Nachahmung würde ich dir aber nicht raten, so ein hochwertiger Tee gehört in einer kleinen Teekanne mit mehreren Aufgüssen richtig gewürdigt.
Für die Zubereitung nach der europäischen Methode habe ich 12 g des Tees in meine Glaskanne eingewogen und dann mit einem Liter 60°C heißem Wiener Leitungswasser aufgegossen. Den Tee ließ ich insgesamt 2 Minuten lang ziehen. Gegen Ende der Ziehzeit goß ich den Tee über ein Metallsieb in eine zweite Teekanne um.
Für die Zubereitung nach Gong Fu Cha Art würde ich mich an die Empfehlungen auf dem Etikett halten. 1-2 Teelöffel des Tees in eine kleine Teekanne geben und mit 200 mL Wasser aufgießen. Das Wasser sollte eine Temperatur zwischen 55-70°C haben, wobei ich mich ganz nach der Regel „Je besser der grüne Tee, desto niedriger die Temperatur“ an der unteren Temperaturempfehlung orientieren würde. Der erste Aufguss soll 50 Sekunden ziehen, die weiteren Aufgüsse Nummer 2-4 nur 10 Sekunden lang. Aufgüsse kannst du jedoch so lange machen, bis das Aroma des Tees verblasst ist.
Die Sensorik
Der zubereitete Tee hatte einen angenehm frischen grünen Geruch. Die Farbe der Tasse war hellgelb bis hellgrün. Eine leichte Trübung war auch wahrnehmbar.
Der Geschmack des Tees war sehr fein, etwas blumig, angenehm frisch. Mit einer leichten Süße und fruchtigem Geschmack, der mich an Ananas erinnerte. Ein bisschen umami war auch dabei.
Mein Fazit
Wie könnte mein Fazit auch anders ausfallen: Der Bio Shincha 2020 von Watanabe ist ein Tee der absoluten Spitzenklasse. Die hochwertige Erscheinung im stilvollen Booklet, das erste Öffnen der Vakuumverpackung, der Geruch der Rohware bis hin zum fertigen Tee. Jede Erfahrung mit ihm von Anfang bis Ende fühlt sich toll an und ist ein Erlebnis für sich. Er ist ein absolutes Gedicht und ich werde es mir jetzt zur Tradition machen, jedes Jahr Anfang Mai einen solchen Tee zu bestellen.
Einzig allein der doch stolze Preis mit 20 € für 50 g lässt einem doch schlucken. Der Shincha ist jedoch nicht als Alltagstee gedacht und seltene, hochwertige Sachen haben eben ihren Preis. Für den Alltag gibt es andere Tees, die preiswerter und auch gut trinkbar sind.
Als besonderes Geschenk für Teefreund*innen oder wenn du Freund*innen zu einer Teezeremonie einlädst, eignet er sich perfekt. Ich bin so begeistert davon, dass ich mir schon überlege, eine Packung als Reserve zu bestellen und diese dann für besondere Anlässe aufzuheben.
Wenn du grünen Tee magst, dann probiere ihn doch aus. Du wirst von ihm mit ziemlicher Sicherheit nicht enttäuscht sein. Wie immer gilt, ich würde mich sehr über deine persönlichen Erfahrungen mit diesem Tee per Instagram oder E-Mail freuen. Was fandest du toll oder eben weniger gut?